Reichenow (MOZ) An die 200 Gäste haben sich am Sonnabend im Theatersaal auf dem Reichenower Gutshof eingefunden. Einwohner des Dorfes und aus der Umgebung, aber natürlich auch Freunde und Familien der jungen Darsteller, darunter komplette Flüchtlingsfamilien aus den beiden Heimen Bliesdorf und Kunersdorf. Denn junge Leute von dort stehen in „Flucht nach vorn“ gemeinsam mit einheimischen Jugendlichen auf der Bühne. Sie verliehen mit Mimik und Gestik sowie allerlei artistischen Elementen einem Stück Ausdruckskraft, das völlig ohne Text auskommt – und doch ganz intensiv, für jeden verständlich, eine Geschichte erzählt.
Es ist eine Geschichte, die diejenigen live erlebt haben, deren vorläufiges Zuhause nun Heime wie die genannten sind. Verlust der Heimat, Flucht vor explodierenden Bomben und Krieg, Überwindung meterhoher Stacheldrahtzäune, die symbolhaft für Grenzen mit neu hochgezogenen Mauern stehen. Aber auch spätere Szenen, die Einheimische genauso kennen. Begegnungen und Konfrontationen, Feindseligkeiten und Missverständnisse, Angriffe und Hilfe.
Nicht ein einziges Wort fällt während der rund einstündigen Aufführung. Und dennoch kommen dem Publikum beim Zuschauen ganz viele in den Sinn. Nähe und Distanz, Annäherung und Isolation, Unsicherheit und Aneinander-Vorbeirennen, Neugier und Überwältigung, Entrüstung und Enttäuschung – sie alle finden sich, oft in fließenden Übergängen, in den Szenen des Mittelteils, die meist in Zweier-Teams gespielt werden. Im Finale sind es wie schon beim Einstieg die projizierten Bilder im Hintergrund, die neben der Musik zur Gesamtaussage beitragen.
Tosenden Applaus gab es am Ende für die Darsteller, die sich oft erstmals an Theater und Akrobatik versucht haben. Aber auch an das Betreuerteam rund um Regisseurin Anja Häuser und Akrobatik-Experten Achim Scheffler, zu dem auch Mario Paolini und Maryam Schulte gehörten. Ausgelassen gefeiert wurde im Anschluss, derweil Interessenten in einer Ausstellung etwas mehr über die Herkunft der Mitwirkenden erfahren konnten.